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Kognitiver, sprachlicher und sozialer Vorsprung durch Bilingualität? So klappt die zweisprachige Erziehung

Kognitiver, sprachlicher und sozialer Vorsprung durch Bilingualität? So klappt die zweisprachige Erziehung

Es ist mittlerweile keine Seltenheit mehr, dass im privaten Umfeld von Kleinkindern zwei Sprachen gesprochen werden. Bilinguisch erzogene Kinder profitieren davon, von klein auf mehrere Sprachen zu erwerben. Dennoch sind sich viele Eltern unsicher, welche Strategie sie für ihre individuelle Situation anwenden sollen und ob eine mehrsprachige Erziehung nicht vielleicht Nachteile für das Kind mit sich bringt. Wir haben mit einer Frau gesprochen, die ihr Kind zweisprachig erzieht und darüber online aus dem Nähkästchen plaudert.

Bilingualität
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„Bilinguale Kinder laufen Gefahr, keine der beiden Sprachen perfekt zu beherrschen.“ Natürlich, die Vermischung der Sprachen und grammatische Fehler können schon mal passieren, vor allem am Anfang. Doch was heißt schon „perfekt“? Auch einsprachig erzogene Kinder machen Fehler, nur schaut da niemand so kritisch und genau hin. Prägende Nachteile können für das Kind nur entstehen, wenn sein Umfeld eine negative Einstellung hat und die Eltern mit ihrer sprachlichen Situation unzufrieden sind.

Zwei (oder mehrere) Sprachen zu sprechen ist immer von Vorteil, da es sich positiv auf die gesamte Entwicklung auswirken kann. Bilingual erzogene Kinder haben in der Regel ein hervorragendes Sprachgefühl und es fällt ihnen später meist einfacher, neue Sprachen zu erlernen. Außerdem zeigen sie im Allgemeinen ein besseres Gespür für kulturelle Unterschiede, liefern kreativere Problemlösungsansätze und sind sozial toleranter.

Blog der Bilingualität

„Der kleine Prinz“, Sohn der Österreicherin Michaela König und des Ecuadorianers Oscar Lua Murgueitio ist mittlerweile 17 Monate alt und wächst mit Spanisch als Familiensprache in Österreich auf. Sie berichtet regelmäßig in ihrem Blog über die Fortschritte, die ihr Sohn sprachlich macht und setzt sich auch wissenschaftlich mit dem Thema Bilingualität auseinander.

Womensvita: Warum bloggst du über die Entwicklung der Sprachen deines Sohnes?

Mein Blog ist für mich vor allem eine Plattform, auf der ich eine Art Tagebuch der sprachlichen Entwicklung unseres Sohnes führe. Ich habe mich deshalb für die Erstellung eines Blogs entschieden, weil ich darauf hoffe, von anderen zweisprachig erziehenden Eltern im World Wide Web gefunden zu werden und mich mit ihnen austauschen zu können. Und weil ich einfach gerne schreibe. Ergänzend zu den persönlichen Erfahrungen, die wir im Alltag als zweisprachige Familie machen, befasse ich mich auch mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema.

Womensvita: Was rätst du Eltern, die sich überlegen ihr Kind zweisprachig zu erziehen? Und hast du inzwischen schon eine persönliche Bilanz gezogen?

Meiner Meinung nach gibt es kein Vorzeigeschema für zweisprachige Erziehung, weil ein Familiengefüge etwas ganz Individuelles ist. Daher halte ich es für ratsam, sich bereits während der (ersten) Schwangerschaft Gedanken darüber zu machen, wie bei der sprachlichen Erziehung des Nachwuchses vorgegangen werden soll, beziehungsweise welche möglichen Varianten man sich für die eigene Familie vorstellen kann. Trotzdem ist es zu empfehlen, sich stets ein gesundes Maß an Flexibilität zu erlauben, weil es durchaus auch vorkommen kann, dass man seine Strategie abändern oder verwerfen muss, oder will.

Das erste und für mich selbst zu Beginn verwunderlichste Fazit, das ich aus diverser Fachliteratur gezogen habe: zweisprachige Erziehung ist kein Spaziergang. Sie erfordert von den Eltern sehr viel Ausdauer und einen starken Willen. Ich habe schon viele Fälle gehört, in denen die zweisprachige Erziehung nicht (gut) funktioniert hat. Weil das Umfeld die zweite Sprache als minderwertig befunden hat. Weil die Kinder die Sprache nicht für sinnvoll erachtet haben. Weil die Eltern aufgegeben haben. Besonders solche Beispiele, aus denen man erfährt, worauf man achten sollte, haben uns persönlich sehr gutes Rüstzeug für unsere Strategie mitgegeben. Da der kleine Prinz aber noch nicht einmal zwei Jahre alt ist, wissen wir natürlich noch nicht genau, wohin uns die Reise der Zweisprachigkeit noch führen wird. Allerdings hat Sohnemann schon eifrig mit dem Sprechen begonnen und zwar in beiden Sprachen.

Womensvita: Welchen Situationen möchtest du ausweichen bzw. was sind „Fehler“ die vielleicht passieren könnten?

Was wir von Anfang an strikt vermeiden wollten, war das Sprechen im sogenannten „zweisprachigen Modus“. Wir kennen einige Familien, in denen diese Art zu sprechen praktiziert wird, und wir finden es erstens unangenehm für Außenstehende, und zweitens haben wir den Eindruck, dass die Kinder (und die Eltern) dann immer eine Mischung aus beiden Sprachen sprechen – je nachdem, in welcher Sprache ihnen ein Wort früher einfällt. Und das funktioniert dann natürlich nicht, wenn der Gesprächspartner nur eine der beiden Sprachen beherrscht. Aber das Ziel der zwei- oder mehrsprachigen Erziehung besteht, für uns zumindest, darin, in beiden Sprachen ein muttersprachliches Niveau zu erlangen. In der Praxis bedeutet das für uns, dass ich immer nur Deutsch mit dem kleinen Prinzen spreche und sein Vater nur Spanisch. Es wird nicht mitten im Satz oder mitten in der Unterhaltung vom selben Sprecher in eine andere Sprache gewechselt, auch nicht für ein einziges Wort. Selbstverständlich gelingt es unserem Sonnenschein noch nicht, beide Sprachen stets korrekt voneinander zu trennen. Es kommt schon vor, dass er zum Beispiel zu Papa „Danke“ sagt, oder zu Mama ‚pafov‘ („por favor“ = Bitte). Und wir finden, er darf das auch. Mit der Zeit wird er mit Hilfe unseres Vorbilds bestimmt klar abgrenzen, was alles zu Spanisch und was zu Deutsch gehört.

Wovon wir außerdem wenig halten ist es, sich für die andere Sprache „taub“ zu stellen. Wenn mein Sohn mir etwas auf Spanisch sagt, dann darf er auch wissen, dass ich ihn verstehe. Ich antworte ihm zwar natürlich auf Deutsch aber ich glaube, dass es für das Kind sehr enttäuschend wäre, wenn er den Eindruck erhielte, dass er mit mir Deutsch sprechen MUSS. Ebenso verhält sich auch sein Papa. Wenn der Rahmen passt und es nicht zu sehr korrigierend wirkt, dann wiederholen wir auch mitunter das Wort oder die Phrase in der gewünschten Sprache. Am wichtigsten scheint uns aber, dass er und auch wir Spaß daran haben, miteinander zu kommunizieren.

Wir versuchen ganz allgemein, unserem Sohn ungefähr dieselben Sprechsituationen in beiden Sprachen anzubieten. Ganz optimal dafür geeignet sind (derzeit noch) Bücher, die eben in beiden Sprachen angesehen werden. Für später, wenn unser Sohn eine größere Herausforderung braucht und längere Geschichten hören möchte, werden wir wohl den einen oder anderen Text übersetzen, sollten wir keine entsprechenden Werke auftreiben können – zum Glück bin ich selbst Übersetzerin. Für meinen Mann ist es nämlich sehr wichtig, dass unser Sohn lateinamerikanisches Spanisch spricht und wir haben bis dato noch kein passendes zweisprachiges Material gefunden.

Womensvita: Glaubst du, dass „Früh übt sich“ auch wirklich dauerhaft bezahlt macht? Und kann man eine Zweisprachigkeit beim Kind auch ohne unterschiedliche Muttersprachen der Eltern erreichen?

Ohne Zweifel haben es zweisprachige Kinder in der heutigen Welt und auf unserem globalen Arbeitsmarkt wesentlich leichter. Neben der Muttersprache zumindest eine weitere Fremdsprache zu beherrschen ist inzwischen schon ein Muss! Natürlich befindet sich aber nicht jeder in der glücklichen Lage, dass die Eltern unterschiedliche Muttersprachen sprechen. Dennoch ist eine zweisprachige Erziehung möglich – wenngleich sie dann jedoch mit einem etwas höheren Aufwand für die Eltern verbunden ist. Noch mehr als jene Eltern, die bereits zwei Muttersprachen in die Familie mitbringen, sollten sich diese auf jeden Fall Unterstützung aus ihrem Umfeld holen: Babysitter, Spielgruppen in der Fremdsprache, befreundete Native Speaker, mediale Unterstützung, Auslandsaufenthalte etc. sind sehr gute Mittel, um dem Kind Lust auf die Sprache zu machen und ihm tolle Kommunikationssituationen in einer Fremdsprache zu bieten!

Bild:shutterstock.com/gpointstudio